Es muss ein PISA-Ruck durch Deutschland gehen! VBE-Bund

Die heute veröffentlichten Ergebnisse von PISA 2022, einer internationalen Testung von 15-Jährigen auf ihre mathematischen und
naturwissenschaftlichen Fähigkeiten sowie ihre Lesekompetenz und einer Befragung zu ihrer Situation, zeigt: Die Durchschnittsergebnisse in Mathematik, Lesekompetenz und Naturwissenschaften sind deutlich schwächer als 2018 und entsprechen dem Lernfortschritt eines halben bzw. ganzen Schuljahres. Dazu kommentiert der Bundesvorsitzende des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE), Gerhard Brand: „Das sind natürlich keine wünschenswerten Ergebnisse, aber die üblichen Reflexe werden uns
nicht helfen. Dem Ruf nach Fokussierung auf die Basiskompetenzen erteile ich schon im Voraus eine scharfe Absage. Werden Kinder nicht ganzheitlich gebildet, lernen sie nicht so gut. Sprachen, Kunst und Musik müssen genauso einen festen Platz im Lehrplan haben wie Deutsch und Mathematik.

Wir müssen bilden und erziehen mit Kopf, Herz und Hand.“
Gründe (1): Lehrkräftemangel
Die Gründe für das schlechte Abschneiden sieht Brand im Lehrkräftemangel und den Folgen der Einschränkungen während der Coronapandemie insbesondere aufgrund der defizitären Digitalisierung der Schulen. Das bestätigt auch die Befragung der Jugendlichen. So sehen drei Viertel von ihnen den Schulunterricht durch den Lehrkräftemangel beeinträchtigt. „Jetzt zeigt sich, was Mangel heißt. Vertretungsstunden und Schulausfall haben Konsequenzen! Die Politik sollte das als Warnruf annehmen, ihre Bemühungen bei der Bekämpfung des Lehrkräftemangels noch deutlich auszuweiten. Wir brauchen keinen zweiten Pisa-Schock, sondern endlich einen Pisa-Ruck!“

Gründe (2): Digitalisierung
Defizitäre Digitalisierung und lange Schulschließzeiten haben sich für die Alterskohorte besonders ungünstig ausgewirkt, so Brand. Er führt aus: „Jahrelang haben wir angemahnt, dass die Digitalisierung Einzug halten muss in Deutschlands Schulen. Jahrelang wurden wir vertröstet, haben uns auf Sponsoring verlassen müssen oder durch private Spenden nur einzelne Geräte in die Klassenzimmer  bekommen. Da ist es nicht verwunderlich, dass sich in dem Moment, als es auf digitale Kompetenzen ankam, extreme Defizite offenbarten.“

Gründe (3): Auswirkungen der Coronapandemie
Er verweist darauf, dass jene Jugendliche, die 2022 während der PISA-Testung 15 Jahre alt waren, besonders stark von  Schulschließungen betroffen waren. Sie waren während der Coronapandemie in der 7., 8., oder 9. Klasse. Das waren vielerorts jene Klassenstufen, die als letztes wieder in die Schule gehen durften, um für die anderen die Abstandsregelungen einhalten zu können. So sagen 71 Prozent der befragten Jugendlichen, dass länger als drei Monate kein regulärer Unterricht stattfand. Brands Fazit: „Ohne die entsprechende Ausstattung, ohne die notwendige Übung und mit dafür nicht ausreichend fort- und weitergebildeten Lehrkräften konnten die Jugendlichen die Basis nicht ausreichend gut legen, welche sie für ein gutes Bestehen der PISA-Testung gebraucht hätten.“

Wertschätzung für Lehrkräfte
Gleichwohl verweist der VBE Bundesvorsitzende auf die Leistungen der Lehrkräfte: „Gerade in Pandemiezeiten, aber auch danach, hat nur das hohe Engagement der Lehrkräfte dazu geführt, dass die Ergebnisse nicht noch viel verheerender sind. Sie arbeiten unter widrigen Umständen. Und: Die Ansprüche an Schule sind hoch und werden immer höher. Gleichzeitig wird die Zusammensetzung im Klassenraum immer herausfordernder. Kinder mit Förderbedarfen, mit Sprachschwierigkeiten, aber auch jene mit besonderen Talenten müssen alle individuell gefördert werden. Das schafft eine Lehrkraft allein nicht. Daher braucht es multiprofessionelle Teams an den Schulen, damit alle Professionen zusammenwirken können.“

Soziale Ungleichheit
Ein Hauptproblem, für das Deutschland in internationalen Vergleichen stets angemahnt wird, ist die soziale Ungleichheit. Auch Pisa 2022 zeigt, dass weiter dringender Handlungsbedarf besteht: „Die Ergebnisse führen die Politik vor. Der Abstand zwischen Vermögenden und Armen bleibt gleich groß. Die Bemühungen, den Bildungserfolg von der sozioökonomischen Ausstattung des Elternhauses der Schülerinnen und Schüler abzukoppeln, sind nicht ausreichend. Nun muss der PISA-Ruck durch Deutschland gehen."

Pressemitteilung VBE - Pressedienst Nr. 37 vom 05.12.2023

Zurück